Mittwoch, 20. März 2013

Raquel J. Palacio - Wunder

Liebe Raquel J. Palacio,

Raquel J. Palacio - Wunder
Hanser Verlag
978-3-446-24175-6
16,90€
zu allererst einmal: DANKE! Danke für dieses Buch, das mich so sehr in den Bann gezogen hat, dass ich es kaum mehr aus der Hand legen wollte. Danke, dass Sie eine Geschichte geschrieben haben, die mich auch nach dem Lesen nicht mehr loslassen wollte. Danke für August.

Ich gebe zu, dass ich vorerst nicht wusste, auf was genau ich mich bei diesem Buch einlassen werde. Ich habe es zwar von einer Kollegin empfohlen bekommen (und das wirklich euphorisch) und doch stellte ich mir alles irgendwie anders vor und war eher... ja, skeptisch. Das alles klärte sich glücklicherweise auf den ersten Seiten schon. Ich war im Bann von August und ich wollte wissen, wie es weitergeht. Wie seine Geschichte aussieht und wie die Menschen ihn aufnehmen würden.



Die Idee, einen "kleinen" Jungen, mit einem so schlimmen Gendefekt, dass es das ganze Gesicht entstellt, in der fünften Klasse "einschulen" zu lassen, war unglaublich. Man kann sich kaum vorstellen, wie ein Mensch, der seine ganze Kindheit halbwegs isoliert,, bzw. im sicheren Schoß seiner Familie und engen Freunden dieser, verbringt, sich fühlen muss, wenn  er plötzlich mit der realen Welt, mit Fremden und einer richtigen Schule konfrontiert wird. Wenn dieser noch junge Mensch, plötzlich... ja, irgendwie auf sich allein gestellt ist und damit klar kommen muss. Mit all diesen Blicken, den Gefühlen anderer, den Reaktionen auf ihn. Wie schafft ein Mensch das? Wie schafft August das? Und an dieser Stelle muss ich Sie abermals loben: Sie haben es geschafft, nicht nur die Gefühle von August auf den Punkt zu bringen und ihm eine Stimme gegeben, nein, Sie haben stattdessen auch den wichtigsten Menschen in seinem Leben und in diesem Jahr eine Stimme gegeben und auch sie ihre Sicht der Dinge erzählen lassen. Das ist großartig und in jeder einzelnen Zeile war es glaubwürdig und stimmig.



Es ist faszinierend, wie Sie dafür gesorgt haben, dass man nicht nur Mitgefühl mit August entwickelt, sondern auch für sein Umfeld. Dass man die Situation im Ganzen betrachten kann. Dass man sich auf jeden einzelnen einlassen kann.
Ob es dabei um seine Schwester geht, die ihn immer als "normal" und selbstverständlich betrachtet hat und doch eines Tages den Moment erlebt, in dem sie ihn sieht, wie all die anderen Menschen ihn im ersten Augenblick wahrnehmen - und sich ekelt. Wie sie sich dafür schämt, auch nur einen Bruchteil einer Sekunde genau das Gefühl gehabt zu haben und man selbst mit ihr fühlt. Sie in den Arm nehmen will und trösten möchte oder ob es die Mitschüler sind, die in all ihrer individuellen Vielfalt auf August reagieren. Man fühlt mit und man ist schlussendlich auch irgendwie mittendrin im Geschehen.
Kaum eine Geschichte ging mir bisher so sehr unter die Haut. Kaum eine Geschichte hat es geschafft, dass ich mich in jedem Moment fragte, warum wir Menschen nicht einfach jeden so akzeptieren können, wie er ist. Statt zu verurteilen, den anderen nach seiner Geschichte fragen. Ins Gespräch gehen und mitfühlen, statt dafür zu sorgen, dass sich der Gegenüber noch schlechter fühlt, indem wir ihn meiden.
So viele Gedanken sind beim Lesen aufgetaucht, dass ich mich mittlerweile frage, ob wir nicht zu oft falsch handeln. Ob es nicht unglaublich viele Menschen gibt, die uns von sich lernen lassen können und ob es nicht oft diejenigen sind, die wir "meiden wie die Pest" - so wie Augusts Mitschüler ihn anfangs.
Geben wir zu wenig Menschen die Chance, sie selbst zu sein? Und mit wie vielen würden wir selbst unser Schicksal tauschen wollen? Wenn wir jemanden auf der Straße sehen, der so auffällige Eigenarten hat, sollten wir vielleicht besser weniger starren, zu ihm hingehen und ihm auf die Schulter klopfen, dafür, dass ihm eine solche Last aufgetragen wurde, von den "normalen" so abzuweichen?

Frau Palacio, Sie geben dem Leser viele Fragen auf den Weg. Viele Fragen, die man sich unbedingt und in jedem Alter stellen sollte. Fragen, die wir unseren Kindern beantworten sollten und in denen wir diesen als Vorbild gegenübertreten sollten. Sie haben es fertig gebracht, ein Buch zu schreiben, das so sehr die Themen von Freundschaft, Toleranz, Akzeptanz, Liebe und persönlichen Hürden aufgreift, dass einem fast schwindelig vor lauter Gedenke wird. Und doch haben Sie dies mit einer gewissen Leichtigkeit getan. Mit einer solchen, dass man immer weiter lesen muss und will. Dass man es nicht aushalten kann zu erfahren, wohin sich die Geschichte entwickelt, wohin sie uns bringt.
Was ich jedem Leser aber garantieren kann: Man wird süchtig nach dem Buch und man will es nicht aus der Hand legen. Man fragt sich dabei, wie lange es dauern wird, bis dieser Titel zur Pflichtlektüre wird und man Kindern auf diese Weise auch mal etwas über Integration vermitteln kann und darüber, wie gut es uns doch eigentlich geht.

Ich danke noch einmal für dieses unglaubliche Buch und empfehle es jedem weiter!

Ein wahrer Stern am Jugendbuchhimmel und ganz bestimmt ein Buch, das man so schnell nicht mehr vergisst.

PS: Mit einem kleinen Augenzwinkern muss ich allerdings doch einen kleinen Tadel aussprechen: Während Sie in Ihrer Danksagung von einem Mädchen vor der Eisdiele sprechen, dem wir diese Geschichte zu verdanken haben, ist es im Autorentext ein Junge. Das brachte mich abschließend nochmal zum Schmunzeln - und musste hier einfach erwähnt werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen